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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 6 TaBV 41/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 80 Abs. 2 Satz 1
BetrVG § 80 Abs. 2 Satz 2 2. HS
Das Einblicksrecht erstreckt sich auf alle Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter. Der Arbeitgeber hat das Bruttoentgelt nach seinen einzelnen Bestandteilen (z. B. Grundgehalt, Überstundenvergütung, Gratifikationen, Sondervergütungen, Zulagen, Prämien usw.) aufzuschlüsseln.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 6 TaBV 41/06

Verkündet am 18.04.2007

Im Beschlussverfahren

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 18.04.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.07.2006 - 1 BV 12/06 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, dem Lohnausschuss des Antragstellers Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten sämtlicher Angestellter mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren, wobei die Bruttogehälter hinsichtlich aller Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter aufzuschlüsseln sind. Die Aufschlüsselung hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:

- Tarifgehalt,

- Zulagen jeder Art unter Bezeichnung, wofür sie gezahlt werden,

- Gehaltsgruppe des Tarifvertrags einschließlich der Tätigkeitsjahre.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2. zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Betriebsrats (Beteiligter zu 1. und Antragsteller) auf Einsicht in die Bruttogehaltslisten der Angestellten und insbesondere über die Pflicht der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2. und Antragsgegnerin) zur Aufschlüsselung der Daten.

Die Arbeitgeberin stellt Teppichauslegeware her. Sie beschäftigt etwa 360 Arbeitnehmer. Darunter befinden sich etwa 85 Angestellte (kaufmännische und technische Angestellte sowie Meister). Der antragstellende Betriebsrat hat einen Lohnausschuss gebildet, dem 5 Mitglieder angehören.

Am 14.02.2006 nahm der Lohnausschuss Einsicht in die Gehaltslisten der Angestellten. Ihm wurde eine mit Datum 10.02.2006 versehene Liste (Anlage AG 1 = Bl. 19 f. d. A.) überlassen, in der die Angestellten in alphabetischer Reihenfolge mit ihrem jeweiligen Bruttogehalt aufgeführt sind. Daraufhin bat der Betriebsrat die Arbeitgeberin erfolglos, dem Lohnausschuss Einsicht in Bruttogehaltslisten zu gewähren, die die tariflichen Gehaltsgruppen und die Tätigkeitsjahre erkennen lassen. Im Laufe des Verfahrens begehrte der Betriebsrat weitere Angaben in den Bruttogehaltslisten.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin müsse den Status des Angestellten mitteilen, weil es für kaufmännische Angestellte, technische Angestellte und Meister unterschiedliche Tarifgruppen gebe. Ihm sei keineswegs bekannt, welcher Gruppe die Angestellten jeweils angehörten. Die Angabe der aktuellen Tarifgruppe sowie der Tätigkeitsjahre sei erforderlich, um die korrekte Umsetzung der Ein- und Umgruppierung sowie der Tarifsteigerungen zu kontrollieren. Erst durch die Aufschlüsselung des Bruttoentgelts werde der Betriebsrat in die Lage versetzt, zu prüfen, ob ein betriebliches Zulagensystem bestehe. Das Einblicksrecht sei weder von einer Begründung noch von einem konkreten Anlass abhängig. Die Arbeitgeberin werde mit dem Begehren nicht überfordert, denn sie verfüge über ein EDV gestütztes Gehaltsabrechnungssystem, in welchem die genannten Merkmale gespeichert seien.

Der Betriebsrat hat beantragt:

Die Antragstellerin wird verpflichtet, dem Lohnausschuss des Betriebsrats Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten sämtlicher Angestellten mit Ausnahme der leitenden Angestellten zu gewähren, wobei die Bruttogehälter hinsichtlich aller Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter aufzuschlüsseln sind. Die Aufschlüsselung hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:

1. Angabe zum Status als kaufmännischer Angestellter, technischer Angestellter oder Meister,

2. Gehaltsgruppe des Tarifvertrags einschließlich der Tätigkeitsjahre,

3. Tarifgehalt,

4. Zulagen jeder Art unter Bezeichnung, wofür sie gegeben werden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, sie habe den Anspruch des Betriebsrats durch Vorlage der Liste mit Datum 10.02.2006 erfüllt. Der Betriebsrat könne nicht verlangen, dass eine Bruttogehaltsliste der Angestellten mit den gewünschten Merkmalen erstellt werde. In der dem Lohnausschuss vorgelegten Liste seien sämtliche eventuell bestehenden Zulagen und Zuschläge enthalten. Weil der Betriebsrat an Ein- und Umgruppierungen beteiligt gewesen sei, kenne er die Gehaltsgruppe aller Angestellten. Das Tarifgehalt ergebe sich aus dem Gehaltstarifvertrag. Ein Anspruch auf Bezeichnung der Tätigkeit bestehe nicht, denn der Betriebsrat wisse, wer kaufmännischer Angestellter, technischer Angestellter bzw. Meister sei. Schließlich habe der Betriebsrat nicht begründet, zu welchem Zweck er die weiteren Informationen benötige.

Mit Beschluss vom 13.07.2006 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Betriebsrat könne sein Begehren auf § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG stützen. Einsichtnahmen dienten der Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats aus dem Betriebsverfassungsgesetz nämlich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 und § 87 Abs. 1 Nr. 10. Der Betriebsrat könne auch die begehrte Aufschlüsselung der Gehaltsangaben verlangen. Die Aufschlüsselung nach dem Status des Angestellten als kaufmännischer Angestellter, technischer Angestellter oder Meister, die Angabe der Gehaltsgruppe einschließlich der Tätigkeitsjahre sowie des Tarifgehalts, das die Arbeitgeberin zugrunde legt, ermögliche es dem Betriebsrat, die Einhaltung des Tarifvertrags zu überwachen. Der Aufschlüsselung der Zulagen bedürfe es, weil sonst nicht festgestellt werden könne, ob ein Mitbestimmungsrecht im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass es die vom Betriebsrat verlangten Listen bisher im Betrieb nicht gebe. Der Arbeitgeber müsse seiner gesetzlichen Informationspflicht auch dann genügen, wenn er die entsprechenden Angaben im Betrieb nicht erhebt, diese dort aber objektiv verfügbar sind. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass der Betriebsrat in der Vergangenheit bei der Eingruppierung der Angestellten regelmäßig beteiligt worden sei. Denn es gehe ihm vorliegend darum, festzustellen, wie sich das Gehalt der Mitarbeiter aktuell zusammensetzt. Schließlich verstoße das Verlangen des Betriebsrats auch nicht gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Gegen den der Arbeitgeberin am 24.07.2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat sie am 18.08.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 24.10.2006 - mit am 23.10.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin vertritt weiterhin die Ansicht, der Betriebsrat könne die begehrte Aufschlüsselung nicht verlangen. Das gelte zunächst für die Tätigkeitsbezeichnung. Denn der Betriebsrat kenne Tätigkeit und Aufgabe der Angestellten und wisse daher, wer technischer Angestellter, kaufmännischer Angestellter oder Meister sei. Gehaltsgruppe und Tätigkeitsjahr seien dem Betriebsrat durch seine Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen bekannt. Im Übrigen habe der Betriebsrat in der Vergangenheit häufig die ordnungsgemäße Eingruppierung von Mitarbeitern überprüft. Wenn er sich nunmehr darauf berufe, dass bei ihm keine Unterlagen hierzu existierten, müsse er sich das selbst zurechnen lassen. Die Mitteilung des Tarifgehalts in den Gehaltslisten sei nicht erforderlich, weil es sich aus dem anzuwendenden und dem Betriebsrat bekannten Gehaltstarifvertrag ergebe. Schließlich könne der Betriebsrat keine Aufschlüsselung der Zulagen verlangen, denn er wisse, dass es bei der Arbeitgeberin kein Zulagensystem gebe. In der Vergangenheit seien zwar übertarifliche Zulagen in unterschiedlicher Höhe gewährt worden. Diese seien aber mittlerweile mit Tariferhöhungen verrechnet worden. Die Arbeitgeberin meint, der Betriebsrat könne von ihr nur Überlassung vorhandener oder jeder Zeit erstellbarer Unterlagen verlangen. Im vorliegenden Fall begehre der Betriebsrat aber originäre Herstellung und greife damit in die Betriebsführung ein. Denn das bei ihr angewandte EDV-Programm ("Navision") sehe eine Zusammenstellung der Daten, wie sie der Betriebsrat wünscht, nicht vor. Es handele sich um ein reines Lohn- und Gehaltsabrechnungsprogramm. Deshalb müssten die begehrten Daten aus den individuellen Abrechnungen zusammengetragen werden, was einen Mitarbeiter 2 Tage beschäftigen würde.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck, Az. 1 BV 12/06, vom 13.07.2006, wird geändert.

2. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, ihm stünde die begehrte Aufschlüsselung zu. Die Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen ändere nichts daran, dass das Einblicksrecht jederzeit bestehe. Aus der Beteiligung ergebe sich im Übrigen nicht, ob - und wenn ja -, welche zusätzlichen Leistungen erbracht werden. Die Aufschlüsselung des Tarifgehalts in Gehaltsgruppe und Tätigkeitsjahre folge aus der Pflicht, alle Lohnbestandteile zu benennen und sei vor dem Hintergrund der Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geboten. Der Vortrag der Arbeitgeberin, es bestehe kein Zulagensystem, sei unbeachtlich, denn es würden - insoweit unstreitig - Zulagen gezahlt. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die vorhandenen Gehaltsdaten zusammenzustellen, weil sie es sonst in der Hand hätte, die Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats zu verhindern. Mit der Zusammenstellung vorhandener Daten werde kein Herstellungsanspruch verfolgt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nur zu einem geringen Teil begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats im Wesentlichen zu Recht entsprochen.

1. Mit seinem Antrag macht der Betriebsrat nicht nur ein Einblicksrecht in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nach § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG geltend. Er begehrt von der Arbeitgeberin auch Auskunft darüber, welche Tarifgruppen sowie Lebensaltersstufen sie für maßgeblich hält. Dies ist ein selbständiger Antrag. Denn der Betriebsrat will nicht nur die Höhe des Tarifgehalts wissen, sondern auch welche Grunddaten die Arbeitgeberin der Berechnung des Tarifgehalts zugrunde legt. Eine derartige Verpflichtung kann sich nicht unmittelbar aus § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG, sondern nur aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ergeben.

2. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig. Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt i. S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Begehren ist so konkret bezeichnet, dass es als Vollstreckungsgrundlage taugt und keine Zweifel über den Umfang der Rechtskraft eines stattgebenden Beschlusses bestehen. Der Betriebsrat hat die Listen, die er einsehen will, ausreichend bezeichnet. Es sind die Bruttogehaltslisten der Angestellten mit Ausnahme der leitenden Angestellten. Zu den Angestellten gehören die kaufmännischen und technischen Angestellten sowie die Meister.

Die begehrten Listen sollen, anders als die von der Arbeitgeberin vorgelegte Liste (Anlage AG 1), in der im Antrag beschriebenen Weise aufgeschlüsselt sein. Eine weitere inhaltliche Beschreibung, etwa hinsichtlich der Zulagen, ist weder erforderlich noch dem Betriebsrat überhaupt möglich. Denn er weiß gerade nicht, ob und ggf. welche Zulagen von der Arbeitgeberin gezahlt werden.

3. Die Anträge sind im Wesentlichen begründet.

a. Nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Unter den gleichen Voraussetzungen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.

aa. Der Lohnausschuss ist einblicksberechtigt. Hat ein Betriebsrat einen Betriebsausschuss zu bilden, so ist nur der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen (§ 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG). Wird ein Ausschuss nach § 28 BetrVG mit der Aufgabe betraut, hat nur er, nicht aber der Betriebsausschuss oder der Betriebsrat das Einblicksrecht. Demzufolge steht dem Lohnausschuss als Ausschuss i. S. von § 28 BetrVG das Einblicksrecht zu.

bb. Gemäß § 80 Abs. 2 2. Halbsatz BetrVG besteht das Einblicksrecht "in diesem Rahmen". Damit wird auf den ersten Halbsatz der Vorschrift Bezug genommen, die verlangt, dass die Unterlagen zur Durchführung gesetzlicher Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sind. Demnach ist auch für das Einblicksrecht der Aufgabenbezug Anspruchsvoraussetzung. Es wird nur insoweit gewährt, wie es zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist und beschränkt sich auf den Rahmen, in dem der Betriebsrat Anspruch auf Unterrichtung und Vorlage von Unterlagen hat. Maßgebend ist, ob der Betriebsrat Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen hat. Dazu gehört neben den in § 80 Abs. 1 BetrVG aufgezählten Aufgaben auch die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte.

Im vorliegenden Fall besteht der erforderliche Bezug zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 und § 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 BetrVG sowie § 75 Abs. 1 BetrVG. Das Einblicksrecht dient hier der Prüfung, ob die kollektiven Entgeltregelungen eingehalten und die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebenden Grundsätze von Recht und Billigkeit sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt werden (BAG, 12.02.1980 - 6 ABR 2/78 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 12). Die durch die Einsichtnahme gewonnenen und an den Betriebsrat weitergegebenen Kenntnisse sollen diesen bei der Durchsetzung der Lohngerechtigkeit und der Prüfung, ob Mitbestimmungsrechte (§ 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 BetrVG) berührt sind, unterstützen. Das umfasst die Prüfung, ob die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit erreicht ist oder durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann (BAG, 12.02.1980 a. a. O.). Weil der Betriebsrat seine Aufgaben im Rahmen seiner Zuständigkeit selbständig erfüllt, braucht er nicht darzulegen, für welche Zwecke er die Informationen benötigt (BAG 12.02.1980 a. a. O.; 10.02.1987 - 1 ABR 43/84 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 27).

Daraus folgt, dass der Betriebsrat kein Überwachungsbedürfnis oder einen konkreten Anlass für sein Einblicksbegehren darlegen muss. Etwas anderes mag bei einem willkürlich geltend gemachten Einblicksrecht gelten. Daran ist zu denken, wenn im Betrieb unstreitig Lohnzahlungen ohne jede Verbindung zu kollektiven Regelungen oder zu Festsetzungen aufgrund billigen Ermessens geleistet werden (BAG 12.02.1980 a. a. O.). Im vorliegenden Fall ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für eine solche rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Einblicksrechts durch den Betriebsrat. Im Betrieb erfolgt die Lohnzahlung nach Tarifvertrag und damit aufgrund kollektiver Regelung. Im Übrigen werden unstreitig Zulagen gezahlt. Streitig ist allein, ob der Zulagenzahlung ein System zugrunde liegt. Das zu prüfen, ist Aufgabe des Betriebsrats.

cc. Durch Vorlage der Bruttogehaltsliste mit Datum 10.02.2006 hat die Arbeitgeberin den Anspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG nicht erfüllt. Die Liste genügt nicht den nach dieser Vorschrift zu stellenden Anforderungen.

(1) Unter "Bruttolöhne und Gehälter" im Sinne der streitgegenständlichen Vorschrift ist der Effektivverdienst einschließlich der übertariflichen Zulagen, freiwilligen Prämien und aller Zahlungen, einschließlich Sonderzahlungen, die individuell ausgehandelt und gewährt werden, zu verstehen (BAG 10.02.1987 a. a. O.; LAG Baden-Württemberg 28.10.1999 - 21 Ta BV 3/99 -). Deshalb erstreckt sich das Einblicksrecht auf alle Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter.

(2) Das Bruttoentgelt im vorgenannten Sinn ist nach seinen einzelnen Bestandteilen (z. B. Grundgehalt, Überstundenvergütung, Gratifikationen, Sondervergütungen, Zulagen, Prämien usw.) aufzuschlüsseln (Däubler/Kittner/Klebe-Buschmann BetrVG 10. Aufl. § 80 Rn 106 m. w. Nachw.; Fitting 23. Aufl. § 80 Rn 73; von Friesen AuR 1982, 245, 252; BAG 10.02.1987 a. a. O. - allerdings wohl gestützt auf § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Ohne entsprechende Aufschlüsselung ist der Betriebsrat gar nicht in der Lage, Vergleiche anzustellen und die unter 3. a bb beschriebenen Aufgaben zu erfüllen. Die Kontrolle, ob die Mitarbeiter tarifgerecht vergütet werden, ist bei bloßer Mitteilung einer Bruttogehaltssumme unmöglich. Die Aufschlüsselung muss es dem Betriebsrat aber ermöglichen, festzustellen, ob das Tarifgehalt zutreffend ermittelt worden ist. Dazu muss ihm der Arbeitgeber das Tarifgehalt, von dem er ausgeht, nennen, es also aus dem Gesamtbrutto herausrechnen. Nur dann kann der Betriebsrat aufgrund eigener Ermittlungen oder weiterer Informationen durch den Arbeitgeber, feststellen, ob der Tarifvertrag zutreffend angewendet worden ist. Auch die weiteren Zulagen müssen aufgeschlüsselt werden, und zwar differenziert nach dem Leistungszweck. Anderenfalls kann nicht festgestellt werden, wie sie sich im Verhältnis zu den anderen Mitarbeitern geleisteten Zahlungen verhalten (Gleichbehandlung) und ob Handlungsbedarf im Hinblick auf die betriebliche Lohngestaltung besteht.

dd. Unerheblich ist der Einwand der Arbeitgeberin, sie führe keine aufgeschlüsselten Listen, die sie dem Lohnausschuss vorlegen kann und überdies sei ihr EDV-Programm zum Ausdruck einer solchen Liste ungeeignet.

Richtig ist, dass der Wortlaut der Vorschrift durch die Formulierung "Einblick zu nehmen" auf etwas Vorhandenes hinweist und damit gegen die Verpflichtung zur Herstellung einer in aufgeschlüsselter Form nicht vorliegenden Liste spricht. Diese strenge Wortlautauslegung wäre aber mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift unvereinbar. An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, dass die Bestimmung den Betriebsrat durch Einblicknahme in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter in die Lage versetzen soll, seine Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte aus den §§ 75, 80 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 BetrVG wirksam wahrzunehmen. Dazu ist nur eine aufgeschlüsselte Liste geeignet. Sie allein ist aussagekräftig. Eine Liste wie die von der Arbeitgeberin vorgelegte (Anlage Ag 1), die nur das Gesamtbrutto ausweist, ist für den Betriebsrat bei Wahrnehmung der beschriebenen Aufgaben wertlos. Die am Normzweck orientierte Auslegung spricht daher für den Anspruch auf Anfertigung einer aufgeschlüsselten Liste. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber dazu objektiv imstande ist.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Arbeitgeberin über die für die Aufschlüsselung erforderlichen Daten verfügt und diese auflisten kann. "Listen" im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG sind nicht nur tatsächlich ausgedruckte Listen. Der Begriff "Liste" ist unabhängig von der Art der Datenführung (BAG 17.03.1983 - 6 ABR 33/80 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 18). Entscheidend ist, dass die Daten überhaupt vorhanden sind und nicht erst beschafft oder erhoben werden müssen. Existieren die Daten bereits und hat der Arbeitgeber Zugriff auf sie, muss er die Angaben, deren Kenntnis der Betriebsrat benötigt, um seinen gesetzlichen Aufgaben gerecht werden zu können, in der beschriebenen Weise zusammenfassen. Daran ändert auch der behauptete zeitliche Aufwand von 2 Tagen für einen Mitarbeiter nichts. Anderenfalls hätte die Abrechnungsorganisation des Arbeitgebers Einfluss darauf, ob der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann. Zwar liegt die Verantwortung für die Führung des Betriebs beim Arbeitgeber. Die betriebliche Organisations- und Leitungsmacht besteht aber nur im Rahmen der den Arbeitgeber bindenden normativen Vorgaben (BAG 06.05.2003 - 1 ABR 13/02 - BAGE 106, 111). Der Verzicht auf eine Gehaltsaufschlüsselung ist hiervon nicht gedeckt, weil auf diese Weise die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats (s. o.) unerfüllbar und die Wahrnehmung weiterer Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erschwert würde.

b. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Verpflichtung des Arbeitgebers korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats.

aa. Wie oben ausgeführt, gehört es zu den Aufgaben des Betriebsrats, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Diese Überwachungsaufgabe ist vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig (BAG 06.05.2003 a. a. O.). Der Unterrichtungsanspruch besteht nämlich nicht nur dann, wenn allgemeine Aufgaben oder Beteiligungsrechte feststehen. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat vielmehr auch ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des BetrVG ergeben und ob er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Aufgaben reicht; die Grenze des Auskunftsbegehrens ist erst dort überschritten, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich ausscheidet (BAG 24.01.2006 - 1 ABR 60/04 - NZA 2006 1050). Maßgebend ist danach, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 06.05.2003 a. a. O.; BAG 24.01.2006 a. a. O.).

bb. Im vorliegenden Fall sind Aufgaben im Sinne von § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat die Einhaltung der zu Gunsten der Angestellten geltenden Tarifverträge zu überwachen hat. Die leitenden Angestellten, auf die sich die Überwachungsaufgabe nicht erstreckt, sind nach dem Antrag ausdrücklich ausgenommen. Die begehrte Information über Gehaltsgruppe und Tätigkeitsjahr ist auch erforderlich, um die Einhaltung der tariflichen Vorschriften überprüfen zu können. Denn diese Parameter sind für die Ermittlung des Tarifgehalts und den Abgleich mit dem gezahlten Gehalt maßgebend.

cc. Die Arbeitgeberin kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Betriebsrat verfüge aufgrund seiner Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen der Angestellten bereits über die begehrten Informationen. Zum einen ist der Betriebsrat nicht verpflichtet, parallel zu den vom Arbeitgeber geführten Lohn- und Gehaltslisten eigene Listen anzulegen und fortzuschreiben. Zum anderen dient die Information der Kontrolle, ob sich zwischenzeitlich Änderungen ergeben haben, von denen der Betriebsrat - aus welchen Gründen auch immer (Versehen, Übersehen von Informationen usw.) - keine aktuelle Kenntnis hat.

4. Der Antrag des Betriebsrats ist nur insoweit unbegründet, als er in den Gehaltslisten Angaben zum Status als kaufmännischer Angestellter, technischer Angestellter oder Meister verlangt. Ein Anspruch auf gesonderte Mitteilung des Status besteht weder gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 noch aufgrund § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG. Der Betriebsrat verfügt über die erforderlichen Angaben bereits dann, wenn ihm die Gehaltsgruppe des Tarifvertrags mitgeteilt ist. Denn ihr kann der Status, von dem die Arbeitgeberin ausgeht, zweifelsfrei entnommen werden.

5. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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